
Finale
Rache ist süß - DFB-Frauen holen achten EM-Titel
Ines Bellinger, sportschau.de
Nadine Angerer ist die EM-Heldin 2013. Die deutsche Torhüterin hielt im Endspiel gegen Norwegen zwei Elfmeter und legte damit den Grundstein für den 1:0-Sieg gegen Norwegen. Das entscheidende Tor erzielte Anja Mittag.
Abgerechnet wird zum Schluss. Die deutschen Fußballerinnen haben im Finale der Europameisterschaft erfolgreich Revanche genommen und Norwegen mit 1:0 (0:0) besiegt. Nach einem Stolperstart und der historischen EM-Pleite in der Vorrunde gegen die Skandinavierinnen drehte die junge Mannschaft von Silvia Neid im Endspiel am Sonntag in Solna den Spieß um und sicherte sich den achten Titel und den sechsten in Folge. Die eingewechselte Schweden-Legionärin Anja Mittag erzielte vier Minuten nach der Pause das goldene Tor gegen den zweimaligen Europameister. Doch die eigentliche Heldin des packenden Finals war Torhüterin Nadine Angerer. Die Spielführerin der erneut in ihren schwarzen Glückstrikots spielenden DFB-Frauen hielt in ihrem 124. Länderspiel gleich zwei Elfmeter - den ersten, unberechtigten, gegen Trine Rönning (29.), den zweiten gegen Solveig Gulbrandsen (61.). Für jede deutsche Spielerin ist der Triumph verbunden mit einer EM-Rekordprämie von 22.500 Euro. Auch die Kulisse im Endspiel war eine Bestmarke für ein EM-Spiel bei den Frauen: 41.301 Zuschauer fieberten in der Friends Arena mit.
Angerer: "Phänomenal" - Neid: "Mannschaft macht mich stolz"
"Es macht mich stolz, was diese junge Mannschaft auch heute wieder geleistet hat. Nach den Hiobsbotschaften hat keiner damit gerechnet, dass wir soweit kommen", sagte Neid, deren Team nach dem Ausfall von sechs Stammspielerinnen vor EM-Beginn nicht mehr unter den Top-Favoriten gehandelt worden war. "Es ist phänomenal, dass wir es wirklich geschafft haben, es ist so geil", sagte Angerer, die im ganzen Turnier nur einen Gegentreffer hinnehmen musste - bei der Vorrunden-Niederlage gegen Norwegen. Die 34-Jährige bekam natürlich ein besonderes Lob von der Bundestrainerin: "Nadine hat ihre Klasse unter Beweis gestellt. Sie wollte einfach keinen reinlassen." Zum Lohn durfte die Anführerin der deutschen "Rasselbande" wenig später den EM-Pokal im Konfettiregen in die Höhe stemmen. Am Montag (29.07.13) werden die Europameisterinnen traditionell auf dem Frankfurter Römer empfangen (ab 16.10 Uhr live im Ersten und im Social TV hier bei sportschau.de). Norwegens Trainer Even Pellerud gab sich als fairer Verlierer: "Natürlich sind wir jetzt alle sehr enttäuscht. Aber Deutschland ist ein absolut würdiger Champion."
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Noten
Die Europameisterinnen in der Einzelkritik
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Nadine Angerer: Die zukünftige Australien-Legionärin parierte zwei Strafstöße und hielt damit den deutschen Sieg fest. Die Keeperin zeigte im Endspiel wie während der gesamten Endrunde eine tadellose Leistung. Angerer war durch ihre Klasse, Präsenz und Routine von unschätzbarem Wert für das junge deutsche Team. Note 1*
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Leonie Maier (l.): Die 20 Jahre alte Rechtsverteidigerin zeigte in ihrem 15. Länderspiel eine abgeklärte Leistung. Maier gewann in der Defensive die wichtigen Zweikämpfe und schaltete sich immer wieder klug ins Angriffsspiel ein. Eine der Entdeckungen des Turniers. Note 2
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Annike Krahn (l.): Nicht elegant, aber sehr effizient hat die Innenverteidigerin auch im Finale ihre Aufgabe erledigt. Krahn war in der Luft nicht zu bezwingen, klärte am Boden ebenfalls mit einfachen Mitteln. Einzig ein Missverständnis mit Angerer in der 72. Minute, das fast zum Ausgleich geführt hätte, schmälerte ihre Leistung ein wenig. Note 2
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Saskia Bartusiak (M.): Unaufgeregt, abgeklärt, zuverlässig - einfach gut. Die Frankfurterin bestach auch im Finale durch sachliche Abwehrarbeit und ihr gutes Auge. Dass Deutschland während der Endrunde nur ein Gegentor kassierte, war auch Bartusiaks Verdienst. Note 1
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Jennifer Cramer (r.): Die Linksverteidigerin war ein Schwachpunkt in der deutschen Elf. Cramer hatte große Probleme mit der flinken Caroline Hansen und verschuldete den zweiten Strafstoß. Zeit, sich mit in den Angriff einzuschalten, hatte die Potsdamerin kaum. Note 4
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Nadine Keßler: Die Wolfsburgerin trieb aus der Mittelfeldzentrale das deutsche Spiel an. Eroberte viele Bälle und verteilte diese klug. Der 25-Jährigen war es allerdings nicht vergönnt, ihre feine Leistung durch ein Tor zu krönen. Keßler traf im Endspiel zweimal das Aluminium. Note 1
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Lena Goeßling (M.): Die 27-Jährige bildete mit Keßler die "Doppel-Sechs". Goeßling überzeugte durch Zweikampfstärke und sicheres Passpiel. Die Stabilisatorin in der deutschen Mittelfeldzentrale. Note 2
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Lena Lotzen: Die 19 Jahre alte Flügelstürmerin begann forsch und stellte die norwegische Abwehr in den Anfangsminuten vor einige Probleme. Im Anschluss häuften sich bei der Münchnerin die Abspielfehler. Lotzen wurde dadurch zum Risikofaktor für das deutsche Team. Ihre Auswechslung zur Pause war folgerichtig. Note 5
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Dzsenifer Marozsan: Die Edeltechnikerin ließ ihr riesiges Potenzial immer wieder aufblitzen, schlug gute Standards und war sich auch nicht zu schade, Defensivarbeit zu verrichten. Die 21-Jährige tauchte zwischendurch allerdings auch ab. Ein Auftritt mit Licht und Schatten. Note 3
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Simone Laudehr: Die Frankfurterin musste nach 76 Minuten völlig entkräftet ausgewechselt werden. Ihr Laufpensum war wie immer imponierend. Laudehr sorgte auf dem linken Flügel für viel Druck nach vorn und arbeitete zudem gut nach hinten - was gegen die starke rechte norwegische Seite auch zwingend vonnöten war. Note 2
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Celia Okoyino da Mbabi (r.): Von der Oberschenkelverletzung, die einen Einsatz im Semifinale verhindert hatte, war ihr nichts mehr anzumerken. Die Stürmerin war stets anspielbar, machte vorne die Bälle fest und bereitete das 1:0 mustergültig vor. "Momo" hatte lediglich Pech im Abschluss. Note 1
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Anja Mittag: Die Schweden-Legionärin saß trotz ihrer guten Leistung im Halbfinale zunächst auf der Bank. War nach ihrer Einwechslung zur zweiten Hälfte sofort hellwach und schoss Deutschland zum achten EM-Titel. Die 28-Jährige kämpfte vorbildlich und sorgte in der Schlussphase für Entlastung. Note 2
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Bianca Schmidt: Die 23-Jährige kam in der 77. Minute für ihre Frankfurter Mannschaftskameradin Laudehr ins Spiel und half mit, den Sieg über die Zeit zu retten. Ohne Note
Okoyino da Mbabi zurück
Neid nahm im Vergleich zum begeisternden Halbfinale gegen Schweden nur eine Änderung in ihrer Startelf vor. Anstelle von Mittag brachte sie Celia Okoyino da Mbabi von Beginn an. Die beste deutsche Torjägerin hatte wegen einer Oberschenkel-Zerrung gegen Schweden pausiert. Pellerud zog in Cathrine Dekkerhus einen vermeintlichen Trumpf aus dem Ärmel. Der Trainerfuchs brachte die unerfahrene 20-Jährige anstelle von Ingvild Isaksen, die im Gruppenspiel gegen die DFB-Frauen das Siegtor erzielt hatte. Dekkerhus reihte sich in ihrem zehnten Länderspiel in das kompakte Fünfter-Mittelfeld ein, mit dem die Norwegerinnen das Spiel begannen. Einzige Spitze war die 18-Jährige Ada Hegerberg von Turbine Potsdam.
Anfangsoffensive verpufft

Cristina Dorcioman entschied im Finale gleich zwei Mal auf Elfmeter gegen Deutschland.
Die deutschen Frauen wollten die sehr tief stehenden Norwegerinnen mit einem schnellen Tor überrumpeln - und beinahe wäre der Plan schon nach 56 Sekunden aufgegangen. Einen Freistoß von Dzsenifer Marozsan köpfte Nadine Keßler in Richtung Tor, der Ball tropfte auf die Querlatte. Danach versuchten es Okoyino da Mbabi, Lena Lotzen und Marozsan aus der Distanz, doch ihre Schüsse waren kein Problem für die gute norwegische Torhüterin Ingrid Hjelmseth. Gegen den Kopfball von Okoyino da Mbabi nach Marozsan-Ecke hätte die 33-Jährige wohl keine Chance gehabt, aber der Ball zischte Zentimeter am Tor vorbei (21.). Den Norwegerinnen war wohl klar, dass ihr Abwehrriegel früher oder später auseinanderbrechen würde, wenn sie selbst nichts für die Offensive tun. Immer wieder versuchten sie Caroline Hansen anzuspielen, die im rechten Mittelfeld wirbelte und Jennifer Cramer einige Male davonlief. Angerer musste das erste Mal nach 14 Minuten eingreifen. Einen Schuss von Maren Mjelde aus 16 Metern hatte sie erst im Nachfassen sicher. Als eine knappe halbe Stunde gespielt war, stockte dann nicht nur der deutschen Torhüterin der Atem. Okoyino da Mbabi hatte Dekkerhus an der Strafraumgrenze leicht am Standbein berührt, und die 20-Jährige wusste genau, was sie zu tun hatte: Obwohl sie durch die Berührung normalerweise nicht einmal ins Straucheln geraten wäre, ließ sie sich theatralisch fallen. Die rumänische Schiedsrichterin Cristina Dorcioman fiel darauf herein und pfiff Strafstoß. Sollten die DFB-Frauen jetzt in Rückstand geraten und damit das eintreten, was die Bundestrainerin unter allen Umständen vermeiden wollte?
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Finale
Ein Tor, zwei Elfer: Der achte Titel
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Es ist angerichtet: Das Finale der UEFA-Frauen-EM in der Friends Arena in Solna steht an. Titelverteidiger Deutschland trifft auf Norwegen und will den achten EM-Titel gewinnen.
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Während sich die deutsche Nationalmannschaft vor dem Anpfiff unter der Aufsicht von Trainerin Silvia Neid (M.) warm macht, ...
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... strömen die Fans in freudiger Erwartung ins Stadion - insgesamt kommen 41.301 Zuschauer.
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Dann kann es endlich losgehen: Neid feuert ihre Elf von der Seitenlinie an.
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Ihre Mannschaft motiviert sich ein letztes Mal, ...
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... bevor es auf dem Rasen zur Sache geht. Celia Okoyino da Mbabi (r.) ist rechtzeitig fit geworden und darf von Beginn ran. Hier kämpft sie gegen Marit Christensen um den Ball.
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Norwegen spielt über die 18-jährige Ada Hegerberg (r.) mutig nach vorne und zeigt Saskia Bartusiak (M.) und Co., dass die Titelverteidigung keine leichte Aufgabe werden wird.
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Doch das junge DFB-Team hat im Turnier mehrmals bewiesen, dass es mit Druck umgehen kann. Lena Goeßling (M.) und ihre Kolleginnen liefern eine mehr als ansprechende Leistung ab.
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Doch die deutsche Torhüterin Nadine Angerer bleibt nicht beschäftigungslos.
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In der 29. Minute ist sie zum ersten Mal besonders gefordert: Nach einem harmlosen Kontakt mit dem Bein von Okoyino da Mbabi (2.v.r.), fällt Cathrine Dekkerhus (r.) im deutschen Strafraum.
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Die rumänische Schiedsrichterin will ein Foul gesehen haben und zeigt auf den Punkt - Strafstoß für Norwegen.
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Die ansonsten abgeklärte Trine Rönning (verdeckt) tritt an ...
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... und verschießt. Angerers Parade hält die DFB-Elf im Spiel - es bleibt beim 0:0 bis zur Pause.
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In der zweiten Hälfte kommen die deutschen Frauen mit neuem Elan aus der Kabine und spielen wieder vermehrt nach vorne.
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Der Lohn der Mühen kommt in der 49. Minute: Die eingewechselte Anja Mittag wird wunderbar von Okoyino da Mbabi in Szene gesetzt und netzt ein - die 1:0-Führung für Deutschland.
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Die Freude ihrer Teamkameradinnen ist riesengroß.
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Doch nur zwölf Minuten später folgt die Ernüchterung: Schon wieder wird ein Elfmeter gegen Deutschland gepfiffen.
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Und schon wieder hält die 34-jährige Angerer den Ball.
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Im Anschluss können Annike Krahn (l.) und Co. die knappe Führung über die Zeit bringen und gewinnen 1:0.
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Deutschland ist Europameister! Kapitän Angerer nimmt den Pokal in Empfang und reckt ihn in die Höhe.
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Danach kommen die DFB-Frauen für das offizielle Siegerfoto zusammen.
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Nach einem standesgemäßen Konfettiregen dürfen die Feierlichkeiten beginnen.
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Die Mutter des Erfolgs: Neid hat es tatsächlich geschafft, sechs Stammkräfte zu ersetzen, ein junges, hungriges Team zu formen und wider aller Erwartungen den achten Titel zu gewinnen.
Angerer hält Elfmeter - und Deutschland im Spiel
Nein, denn nun trat die Frau für die besonderen Momente auf den Plan: Angerer parierte den Strafstoß von Rönning (29.). Die Frau, die im Halbfinale gegen Dänemark so nervenstark den entscheidenden Elfmeter verwandelt hatte, schoss genau in die Mitte, und die deutsche Spielführerin wehrte den Ball mit dem Knie ab. Die deutschen Spielerinnen atmeten tief durch, doch es schien, als hätten sie sich ein wenig den Schneid abkaufen lassen. Norwegen spielte nun munter mit - und kombinierte gefährlich durch die Mitte. Hegerberg steckte den Ball zu Ingvild Stensland in den Strafraum durch. Die norwegische Spielführerin ließ Saskia Bartusiak stehen und hatte nur noch Angerer vor sich, doch die Torhüterin klärte gemeinsam mit der heraneilenden Leonie Maier unter Einsatz ihrer Gesundheit (39.).
Joker Mittag trifft zur Führung

Anja Mittag (r.) war ein Edeljoker. Sie machte im Finale ihr 17. Tor im 97. Länderspiel.
Die Bundestrainerin wechselte nach der Pause Mittag ein. Nicht nur für ihren Geschmack hatte Lotzen im rechten Mittelfeld zu viele Zweikämpfe verloren. Und mit dieser Personalentscheidung bewies Neid ein goldenes Händchen. Mittag war noch keine vier Minuten auf dem Feld, da schloss sie einen Konter eiskalt zur deutschen Führung ab. Okoyino da Mbabi war auf der linken Seite auf und davon, sah ihre freie Mitspielerin und passte präzise in die Mitte (49.). Das war ein Vorsprung, aber kein Ruhekissen, denn die Norwegerinnen schwangen sich nun zu ihrer besten Turnierleistung auf. Als Cramer die bärenstarke Hansen von den Beinen holte, pfiff Dorcioman erneut Elfmeter - dieses Mal zu Recht. In Gulbrandsen trat nun die erfahrenste Norwegerin an, doch auch sie fand in Angerer ihre Meisterin (61.). Die Skandinavierinnen steckten auch jetzt nicht auf. Drei Minuten später zappelte der Ball im Tor, doch Hegerberg stand beim Pass von Mjelde im Abseits. Mit einer Energieleistung brachte die deutsche Mannschaft das Ergebnis schließlich über die Zeit. Keßler traf in de 82. Minute zum zweiten Mal ans Aluminium. Am Ende blieb es dabei: Die deutschen Fußballerinnen sind in EM-Finals einfach nicht zu bezwingen - auch nicht von Norwegen, das nun schon das vierte EM-Endspiel gegen Deutschland verloren hat.
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Stand: 28.07.13 22:02 Uhr