
Finale
Sieg bei Heim-EM: Niederländischer Traum wird wahr
von Hanno Bode, sportschau.de
Die Niederlande sind zum ersten Mal Frauenfußball-Europameister. Die Gastgeberinnen setzten sich am Sonntag (6.8.17) im Finale in Enschede gegen Deutschland-Bezwinger Dänemark verdient mit 4:2 (2:2) durch.
Die 30.000 Zuschauer im restlos ausverkauften Stadion De Grolsch Veste des FC Twente sahen eine von Beginn an stürmische niederländische Mannschaft, die allerdings früh einen Schock zu verdauen hatte. Nach einem Konter der Däninnen, den Nadia Nadim schon verstolpert zu haben schien, setzte Sanne Troelsgaard nach und wurde dabei im Strafraum von Kika van Es zu Fall gebracht. Schiedsrichterin Esther Staubli aus der Schweiz hatte freie Sicht auf die Szene und entschied sofort auf Strafstoß. Nadim trat an und brachte die Skandinavierinnen mit einem präzisen Schuss ins linke Eck in Führung (6.).
"Oranje" kontert frühe dänische Führung

Vivianne Miedema (v.) und Lieke Martens bejubeln den ersten EM-Sieg der Niederlande.
"Oranje" zeigte sich vom frühen 0:1 unbeeindruckt. Das Team von Trainerin Sarina Wiegman suchte weiter konsequent den Weg über die Flügel und kam so auch zum raschen Ausgleich: Shanice van de Sanden schüttelte auf der rechten Seite die nicht nur in dieser Szene überforderte Cecilie Sandvej ab, passte auf den langen Pfosten zu Vivianne Miedema, die nur noch einschieben brauchte (10.). Die Niederländerinnen blieben im Anschluss dominant, mussten aber stets auf der Hut sein vor der schnellen Gegenstößen der Däninnen, die nach Ballgewinnen häufig ein schulbuchmäßiges Umschaltspiel zeigten. Die Abwehr der Skandinavierinnen hinterließ hingegen einen fragilen Eindruck. So ging Maja Kildemoes in der 28. Minute zu zögerlich gegen Lieke Martens zu Werke, konnte die Außenangreiferin nicht am Abschluss hindern und trug so große Verantwortung am zweiten Gegentor ihres Teams. Martens' Schuss schlug im unteren rechten Eck ein. Keeperin Stina Lykke-Petersen gab dabei wie Kildemoes kein sonderlich tolles Bild ab.
Harder bringt DFB-Bezwinger ins Spiel zurück
Doch die Heldin aus dem Halbfinal-Elfmeterschießen gegen Österreich brauchte sich nicht lange zu grämen. Denn ihre Kapitänin Pernille Harder sorgte kurz darauf für den Ausgleich. Die Stürmerin des VfL Wolfsburg zog von außen unwiderstehlich in die Mitte und überwand Keeperin Sari van Veenendaal mit einem Schuss ins kurze Eck (33.). Diesmal musste sich die niederländische Verteidigerin Anouk Dekker den Vorwurf gefallen lassen, zu passiv agiert zu haben.
Miedema sorgt für endgültige Entscheidung
Die Gastgeberinnen steckten auch diesen Rückschlag bemerkenswert weg. Unmittelbar nach dem Wiederanpfiff bestürmten sie wieder mit viel Tempo das dänische Tor, in dem mit Lykke-Petersen eine Schlussfrau stand, die einen gebrauchten Tag erwischt hatte. Denn auch bei der erneuten Führung der Niederländerinnen machte die 31-Jährige keine gute Figur. Einen Freistoß von "Oranje"-Kapitänin Sherida Spitse aus mittiger Position ließ sie regungslos ins Gehäuse rollen (51.). Dass die Kugel dabei im Torwart-Eck einschlug, muss sich Lykke-Petersen ebenso ankreiden wie die schlechte Positionierung der Mauer. Zwar konnte die Physiotherapie-Studentin in der 62. Minute gegen Miedema spektakulär den vierten Gegentreffer Dänemarks und damit die vermeintliche Vorentscheidung verhindern. Doch ihr Patzer zum 2:3 sollte sich als spielentscheidend herausstellen. Die Skandinavierinnen konnten in der Schlussphase kaum noch Durchschlagskraft im Angriff entwickeln und waren endgültig besiegt, als Miedema Sekunden vor dem Ende der regulären Spielzeit ihr zweites Endspiel-Tor erzielte (89.). Der Rest waren ein orangenes Jubelmeer sowie trauernde Däninnen, die nun in vier Jahren den nächsten Anlauf zu ihrem ersten EM-Sieg nehmen müssen.
Martens zur besten Spielerin des Turniers ausgezeichnet

Beste Spielerin der EM 2017: Lieke Martens.
"Wie geil ist das denn? Wir haben sehr hart gearbeitet und gekämpft wie echte Löwinnen", sagte Martens, die von der UEFA zur Spielerin des Turniers ausgezeichnet wurde. "Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich diesen Preis gewinne", erklärte die 24-Jährige gerührt. Ihre kongeniale Angriffskollegin Miedema war ebenfalls überwältigt von ihren Gefühlen: "Es ist wirklich unglaublich. Ich denke, ich werde es erst später realisieren." Die tragische Final-Heldin Lykke-Petersen zeigte sich derweil als faire Verliererin. "Wir sind natürlich enttäuscht. Aber waren sehr gut und haben ihre Chancen genutzt. Sie waren einfach besser", sagte die Schlussfrau.
Neuer Abschnitt
Resümee
Die Tops und Flops der Frauen-EM
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Top: die Niederlande. Die Gastgeberinnen zählten vor Turnierbeginn zwar zum Kreis der Mitfavoriten, galten jedoch nicht als Top-Anwärter auf der Titel. Spätestens nach der Vorrunde, die "Oranje" verlustpunktfrei beendete, war aber klar: Die Mannschaft von Trainerin Sarina Wiegman hat das spielerische Potenzial und auch das nötige Herz, um ganz Großes schaffen zu können. Die "Löwinnen" begeisterten durch tollen Offensivfußball und zogen mit lediglich einem Gegentor ins Finale ein, das sie gegen Dänemark dann verdient gewannen.
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Top: Fans der Niederlande. Getragen wurden die Gastgeberinnen von ihren tollen Fans. Jedes der niederländischen Spiele war restlos ausverkauft, die Unterstützung des Anhangs schlichtweg beeindruckend.
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Top: Österreich. Der EM-Debütant ging als krasser Außenseiter in seine schwere Vorrundengruppe mit der Schweiz, Frankreich und Island. Getreu dem Motto: "Außenseiter - Spitzenreiter" zog die Alpenrepublik dann ohne Niederlage als Erster ins Viertelfinale ein. Dort wurde in Spanien ein weiterer Mitfavorit im Elfmeterschießen aus dem Weg geräumt. Erst in der Vorschlussrunde kam für den Europameisterschafts-Novizen schließlich das Aus. Österreich unterlag Dänemark im Penaltyschießen mit 0:3.
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Top: Dänemark. Die Skandinavierinnen besiegten mit dem Sieg gegen Österreich ihr Halbfinal-Trauma. Fünf Mal hatten sie zuvor die Vorschlussrunde einer EM erreicht, jedes Mal waren sie ausgeschieden. In den Niederlanden hatte die Mannschaft von Coach Nils Nielsen bereits mit dem verdienten Viertelfinal-Erfolg gegen Titelverteidiger Deutschland für Furore gesorgt und damit unter Beweis gestellt, inzwischen zu den Top-Teams Europas zu gehören.
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Top: EM-Debütant Belgien. Die "Red Flames" mussten sich in der starken Vorrundengruppe mit den Niederlanden, Dänemark und Norwegen zwar mit dem undankbaren dritten Rang begnügen. Die Auftritte Belgiens hatten dennoch hohen Unterhaltungswert, da das Team unbeschwert aufspielte und konsequent den Weg nach vorn suchte.
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Top: England. Auch wenn der Traum der Britinnen vom ersten EM-Sieg nicht in Erfüllung ging, wusste der WM-Dritte von 2015 in den Niederlanden zu überzeugen. Das Team von Trainer Mark Sampson zeigte neben dem Gastgeber die reifste Spielanlage und zeichnete für den höchsten Sieg (6:0 gegen Schottland) des Endrunden-Turniers verantwortlich. Pech für England, dass es bereits in der Vorschlussrunde auf die noch etwas stärkeren Niederländerinnen traf.
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Top: das Spielniveau. Die Aufstockung des Teilnehmerfeldes auf 16 Mannschaften war im Vorfeld der EM von einigen Seiten durchaus kritisch betrachtet worden. Doch die UEFA darf sich in ihrer Entscheidung bestätigt fühlen. Kantersiege blieben mit Ausnahme von Englands 6:0 gegen Schottland aus, was beweist, dass die sogenannten Kleinen aufgeholt haben. Die Leistungsdichte im Frauenfußball ist fraglos höher geworden. Die andere Seite der Medaille waren in den Niederlanden viele von Taktik geprägte Partien mit wenigen Toren. Nichtsdestotrotz: Im Vergleich zur Europameisterschaft vor vier Jahren in Schweden war das Niveau beinahe aller Partien höher.
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Top: Gemma Fay. Schottlands Kapitänin ist durch ihre drei EM-Spiele mit nunmehr 203 Länderspiel-Einsätzen wieder alleinige Weltrekordtorhüterin. Das Vorrunden-Aus des EM-Debütanten konnte die Schlussfrau zwar auch nicht verhindern. Doch mit einigen tollen Paraden im Duell mit Spanien (1:0) sorgte Fay dafür, dass die Schottinnen die Heimreise nicht punktlos antreten mussten.
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Top: die isländischen Fans. Keine Punkte, keine Stimmung? Mitnichten! Die zahlreich in die Niederlande gereisten isländischen Anhänger machten aus den drei Spielen ihres Nationalteams drei großes Partys. Kaum auszudenken, was für die Nordeuropäerinnen mit dieser Unterstützung im Rücken möglich gewesen wäre, wenn sie nicht verletzungsbedingt auf einige wichtige Offensivkräfte hätten verzichten müssen. So war Island im Angriff zu schwach besetzt, um sportlich eine gute Rolle spielen zu können.
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Flop: das deutsche Team. Der Titelverteidiger war zweifellos die größte Enttäuschung des Turniers. Bereits in der Vorrunde wusste der Olympiasieger fußballerisch nur bedingt zu überzeugen, erspielte sich aber zumindest viele Torgelegenheiten. Die Chancenverwertung war jedoch schlichtweg eine Katastrophe. So auch der Gesamtauftritt im Viertelfinale gegen Dänemark. Nach einer indiskutablen Leistung unterlag der Rekordchampion verdient mit 1:2.
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Flop: Steffi Jones. Die Nachfolgerin von Langzeit-Bundestrainerin Silvia Neid (von 2005 bis 2016 im Amt) vermochte es nur bedingt, der nach dem Olympia-Sieg 2016 neu formierten Mannschaft eine Handschrift zu geben. Richtig Dominanz konnte Deutschland nur im Vorrundenspiel gegen überforderte Russinnen (2:0) ausüben. In den anderen Partien blieb vieles Stückwerk. Möglicherweise auch ein Resultat der vielen personellen Umstellungen, die Jones vornahm. Der DFB beäugte das erste Endrunden-Turnier unter der 44-Jährigen kritisch und kündigte eine eingehende Analyse an. Nicht ausgeschlossen, dass Jones ihren Posten trotz Vertrags bis 2018 räumen muss.
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Flop: Norwegen. Der Vize-Europameister von 2013 befindet sich gerade im personellen Umbruch. Zum engen Favoritenkreis zählten die Skandinavierinnen um Ausnahmestürmerin Ada Hegerberg (2.v.r.) daher vor Turnierbeginn nicht. Dass die Norwegerinnen die Heimreise dann jedoch punkt- und torlos antreten mussten, kam schon überraschend.
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Flop: Schweden. Der Silbermedaillengewinner von Rio wollte seiner scheidenden Trainerin Pia Sundhage (2.v.r.) einen schönen Abschied bescheren. Doch die routinierte Mannschaft, in der einige Stützen wie Caroline Seger über ihren Zenit hinaus sind, war im Viertelfinale gegen den Gastgeber (0:2) chancenlos. Bereits in der Vorrunde hatten Lotta Schelin und Co. nur bedingt überzeugen können und durch eine 2:3-Pleite gegen Italien den Gruppensieg verspielt. An Sundhages Nachfolger Peter Gerhardsson liegt es nun, den überfälligen personellen Umbruch einzuleiten.
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Flop: Frankreich. Wie eigentlich immer in der vergangenen Dekade war "Les Bleus" als Mitfavorit in ein Endrunden-Turnier gegangen. Abermals konnten die Französinnen den Vorschusslorbeeren nicht gerecht werden. Und zum wiederholten Male scheiterten Regisseurin Camille Abily (Foto) und Co. an ihrer mangelnden Durchschlagskraft im Angriff. Im Viertelfinale war für den Gastgeber der WM 2019 nach einem 0:1 gegen England Endstation.
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Flop: Spanien. Viel Aufwand, wenig Ertrag - so lautete die ernüchternde Bilanz der Ibererinnen. Die technisch versierten Spanierinnen hatten in jedem ihrer Spiele wesentlich mehr Ballbesitz als der Gegner. Sie waren selbst im Vorrunden-Duell mit England (0:2) überlegen. Doch alles nett anzuschauende "Tiki-Taka" war letztlich wertlos, weil das Team von Trainer Jorge Vilda spätestens am gegnerischen Strafraum mit seinem Latein am Ende war. So war für den Geheimfavoriten die EM nach dem Viertelfinale beendet.
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Flop: Torhüterinnen-Leistung. Die Schlussfrauen wandelten in den Niederlanden häufig zwischen Welt- und Kreisklasse. Wobei letztlich nicht einige überragende Leistungen, sondern viele Fehlgriffe hängen blieben. So zeichnete beispielsweise Gaelle Thalmann (r.) mit einem bösen Patzer im Duell mit Frankreich (1:1) für das Vorrunden-Aus der Schweizerinnen verantwortlich. Insgesamt war das Niveau der Keeperinnen bei der EM bedenklich schwach.
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Flop: Zuschauerzahlen. So voll die Ränge bei den Spielen des Gastgebers waren, so gähnend leer waren sie in vielen Partien ohne Beteiligung der Niederländerinnen. Dem Organisationskomitee war es nicht gelungen, den Absatz der Tickets durch entsprechende Werbemaßnahmen oder Ähnliches zu steigern. Zum Vorrundenspiel Italiens gegen Russland fanden sich beispielsweise nur rund 1.000 Schaulustige ein. Die UEFA reagierte rasch auf den schwachen Zuschauerzuspruch und hängte ganze Tribünen-Blöcke mit riesigen Fahnen ab. Nun ja, besser wurde die Stimmung in den Stadion dadurch natürlich nicht.
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Flop: UEFA-Wankelmut. Keine gute Figur gaben die Verantwortlichen der Europäischen Fußball-Union sowie Schiedsrichterin Katalin Kulcsar (M.) ab, als es zu entscheiden galt, ob Deutschland und Dänemark trotz sintflutartiger Regenfälle in Rotterdam auflaufen sollten. Obgleich der Platz einem Schwimmbad glich und das Wasser nicht ablief, wurde die Partie zunächst nur um eine Stunde verschoben. Nachdem beide Mannschaften dann zwischenzeitlich wieder zum Warmmachen geschickt worden waren, entschieden die UEFA-Verantwortlichen, dass die Begegnung auf den kommenden Tag verschoben wird. Vielleicht auch auf Druck von Jones und dem dänischen Coach Nils Nielsen, die beide für eine Absage plädierten.
Fußball UEFA-FRAUEN-EM 2017
Dänemark : Niederlande
06.08.17 17:00 Uhr, Finale
Fakten und Zahlen zum Spiel
Ergebnis
Tore
Strafen
Bes. Vorkommnisse
Ort
Stadion
Zuschauer
Schiedsrichter
Stand: 06.08.17 20:03 Uhr