
Deutsches Team
Schwaches DFB-Team scheitert im Viertelfinale
von Hanno Bode, sportschau.de
Für die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft ist die EM in den Niederlanden bereits nach dem Viertelfinale beendet. Das nach dem Olympiasieg 2016 in Rio neu formierte Team von Bundestrainerin Steffi Jones unterlag Außenseiter Dänemark am Sonntagmittag in Rotterdam mit 1:2 (1:0). Die Partie war am Samstagabend wegen Unbespielbarkeit des Platzes abgesagt und auf Sonntagmittag verschoben worden.
Wie bereits am Samstagabend (29.7.17) weinte der Himmel bitterlich, als beide Mannschaften am Sonntagmittag den Rasen des Stadions Sparta-Het Kasteel betraten. Die meisten Spielerinnen hatten trotz des trostlosen Wetters ein Lächeln im Gesicht, während die Nationalhymnen abgespielt wurden. So auch Dänemarks Keeperin Stina Petersen, deren Gesichtszüge sich bald nach dem Anpfiff jedoch versteinerten. Denn mit einem - gelinde ausgedrückt - unorthodoxen Abwehrversuch hatte die frühere Bundesliga-Keeperin (1. FC Köln, MSV Duisburg) Hauptverantwortung für das frühe 1:0 des Titelverteidigers getragen. Einen eigentlich harmlosen Schuss von Außenverteidigerin Isabel Kerschowski, der mittig auf den Kasten zuflog, versuchte die 31-Jährige mit der rechten Hand über die Latte zu lenken. Die Betonung liegt auf "versuchte": Die Kugel rutschte ihr über den Kopf hinweg ins Gehäuse (3.). Petersen pflegte damit die "gute Tradition" der Torwart-Patzer bei der Endrunde in den Niederlanden. Vor ihr hatten bereits andere Schlussfrauen kräftig daneben gegriffen und eine Diskussion über die Qualität der Keeperinnen ausgelöst.
Harder vergibt beste dänische Chance
Dass die Dänin ihr Handwerk aber durchaus versteht, stellte sie im Anschluss unter Beweis. Schüsse von Sara Däbritz (6.) und Kristin Demann (7.) sowie einen gefühlvollen Freistoß von Dzsenifer Marozsan (12.) wehrte Petersen, die wegen ihrer Ausbildung zur Physiotherapeutin inzwischen nur noch in der dänischen Liga bei Kolding spielt, ab. Ab Mitte des ersten Abschnitts konnte die 31-Jährige dann ein wenig durchschnaufen. Verantwortlich dafür war ein Leistungsabfall beim DFB-Team. Der Rekordchampion vermochte es nun nicht mehr, Druck auf den unsicher wirkenden Defensivverbund der Skandinavierinnen auszuüben. Auch defensiv gab es den einen oder anderen Wackler. Die Däninnen konnten daraus allerdings kein Kapital schlagen. Sie spielten ihre Angriffe zu unkonzentriert aus. Nur einmal stockte den deutschen Fans in Hälfte eins der Atem, als Pernille Harder im Anschluss an einen schlampigen Pass ihrer Wolfsburger Mannschaftskameradin Anna Blässe frei vor dem Tor auftauchte, ihr Schuss aber am langen Pfosten vorbeikullerte (6.).
Ausgleich bringt DFB-Team aus dem Konzept
Die ersten 45 Minuten hatten den Däninnen jedoch gezeigt, dass Deutschland in der Arbeit gegen den Ball so seine Schwächen hat. Und nach dem Seitenwechsel wusste sich das Team von Coach Nils Nielsen diesen Umstand zunutze zu machen. Es brachte den im Defensivbereich zunehmend unsortiert wirkenden Favoriten nun beinahe minütlich in Verlegenheit. Beim Ausgleich profitierte der Außenseiter allerdings auch davon, dass Schiedsrichterin Katalin Kulcsár (Ungarn) ihre Assistentin ignorierte, die nach einem Zweikampf von Marozsan mit Stine Larsen die Fahne gehoben hatte und auf Freistoß plädierte. Die Unparteiische aber ließ sehr zur Verwunderung der deutschen Kapitänin, die stehen blieb, weiterspielen. Larsen rannte an die Grundlinie, flankte präzise auf Nadia Nadim, die Blässe beim Kopfball übersprang und zum 1:1 traf (49.).
Neuer Abschnitt
Deutsches Team
Einzelkritik: Kerschowski trifft und patzt
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Almuth Schult: Die deutsche Torhüterin hatte vor der Pause gegen in der Offensive weitgehend harmlose Däninnen nur wenig zu tun. Bei Schüssen von Katrine Veje (38.) und Sanne Troelsgaard (44.) reagierte sie aufmerksam. Die Gegentore (49., 83.) konnte sie nicht verhindern. Sie hatte viel Glück beim Veje-Lattentreffer (57.), rettete hellwach gegen Harder (58.), stieg dann aber sehr rüde gegen Nadia Nadim ein (75.).
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Anna Blässe: Im dritten EM-Startelf-Einsatz agierte die Rechtsverteidigerin ungewohnt fahrig in der Defensivarbeit. Spielte vor der Pause mehrere riskante Pässe in der Rückwärtsbewegung, die die Däninnen ins Spiel brachten. Nach dem Seitenwechsel nicht eng genug bei Nadim, die zum Ausgleich traf (49.). Auch Veje ließ sie bei deren Lattentreffer aus den Augen (57.).
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Lena Goeßling: Zu Beginn mit guter Spielübersicht und ruhigen Aktionen im Spielaufbau. In ihrem 95. Länderspiel ließ sie sich aber im weiteren Verlauf der Partie von der Verunsicherung im deutschen Team anstecken. Auch nach den beiden Treffern der Däninnen gingen von ihr als Reaktion jeweils zu wenig Impulse aus.
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Babett Peter: Spielte vor der Pause ohne defensive Aussetzer, setzte aber auch keine offensiven Glanzlichter im Spielaufbau. Im zweiten Abschnitt geriet die von ihr und Goeßling organisierte Abwehr immer wieder bei Vorstößen der Däninnen durchs Zentrum ins Schwimmen. Beim 1:2 stimmte die Zuordnung vor dem eigenen Tor dann gar nicht mehr.
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Isabel Kerschowski: Ihre Hereinnahme auf die Linksverteidiger-Position machte sich zunächst bezahlt. Nutzte die sich bietenden Räume auf dem Flügel für schnelle Vorstöße - und brachte das deutsche Team mit einem 17-Meter-Schuss in Führung (3.). Hatte nach der Pause viel Mühe defensiv gegen Nadim, Troelsgaard und Co.. Bei beiden Gegentoren ließ sie die Flanken ins Zentrum zu (49., 83.).
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Kristin Demann: Wie bereits in den Gruppenspielen, tauschte Demann im Mittelfeld immer wieder mit Kapitänin Dzsenifer Marozsan fließend die Positionen - dieses Mal jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. Ließ im Zentrum defensiv einige Male Lücken offen, hatte vorne bei ihren Abschlüssen kein Glück (7., 24.). Mandy Islacker kam für sie in der 62. Minute ins Spiel.
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Mandy Islacker: Gegen Dänemark kam die Stürmerin erst in der 62. Minute von der Bank in die Partie. Warf sich im Zentrum sofort ins Getümmel, kam aber nicht frei zum Abschluss. Ein unter dem Strich glückloser Joker-Einsatz in einem verunsicherten deutschen Team.
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Sara Doorsoun: Gegen die Russinnen im letzten Gruppenspiel war die Essenerin noch ein belebendes Element auf dem Flügel gewesen - ganz anders dann im Viertelfinale gegen Dänemark. Die Partie lief komplett an ihr vorbei - egal, ob sie rechts oder links agierte. Ein harmloser Schuss aufs Tor der Däninnen (44.) Zur Pause ausgewechselt.
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Lina Magull: Die Freiburgerin kam nach der Pause für die enttäuschende Doorsoun in die DFB-Formation - machte es selbst aber nicht viel besser. Ein (abgefälschter) Schuss in der 80. Minute - mehr bleibt von ihren Offensivbemühungen nicht in Erinnerung.
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Sara Däbritz: Begann auf dem linken Flügel sehr agil, gab in der fünften Minute einen Torschuss ab. Rutschte im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit in die Spitze neben Mittag, konnte dort aber ihre Stärken nicht ausspielen. Nach dem Seitenwechsel wieder als Flügelspielerin und damit etwas wirkungsvoller im Einsatz.
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Dzsenifer Marozsan: Die DFB-Kapitänin forderte und bekam in der Anfangsphase viele Bälle im Mittelfeld, die sie ruhig und aufmerksam im Spielaufbau verteilte. Ihre Positionswechsel mit Demann waren nicht immer zielführend - genauso wie ihre eigenen Abschlüsse und Standards. In der Entstehung des 1:1 (49.) schläfrig, als Assistgeberin Stine Larsen den Vorteil nutzte. Ließ eine sichtbare Reaktion auf diesen und den zweiten dänischen Treffer vermissen. Das war nicht das Turnier von Dzsenifer Marozsan!
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Anja Mittag: Die deutsche Stammelf-Stürmerin (vierter EM-Einsatz) arbeitete zwar richtig viel, dabei sprang aber gar nichts Zählbares heraus. Zum ersten Mal richtig gefährlich erst in der 75. Minute, als ihr Kopfball das gegnerische Tor knapp verfehlte. Dabei blieb es.
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Linda Dallmann: In der ersten Halbzeit fand die als Stürmerin aufgebotene Essenerin keine richtige Bindung zum Spiel. War weder in der Spitze noch auf dem rechten Flügel gut aufgehoben. Ihre Aktionen wirkten halbherzig. Nach der Pause dann viel mutiger. Mit zwei guten Abschlüssen (56., 61.) zwang sie Dänemarks Schlussfrau Stina Lykke Petersen zu Paraden. Kurz vor Schluss ausgewechselt gegen Lena Petermann.
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Lena Petermann: Der dritten und letzten Einwechselspielerin des DFB-Teams blieben lediglich zwei Minuten plus die Nachspielzeit, um noch mit für den erhofften Ausgleichstreffer zu sorgen. Als das nicht gelungen war, ließ auch die Freiburgerin enttäuscht den Kopf hängen - die EM geht ohne die deutsche Mannschaft weiter.
Deutsche Abwehr zeigt Auflösungserscheinungen
Hernach zeigte die Abwehr der DFB-Auswahl kurzfristig Auflösungserscheinungen und ließ beste Gelegenheiten durch Katrine Veje (52., 57./Latte) sowie Harder (58., 60.) zu. Glück zudem für den Titelverteidiger, dass die Pfeife von Schiedsrichterin Kulcsár nach einem rüden Einsteigen von Keeperin Almuth Schult gegen Nadim stumm blieb (75.). Es gibt außerhalb von England Referees, die dieses Einsteigen mit einem Strafstoß sanktioniert hätten. Zumindest offensiv ließen die im Gesamtauftritt enttäuschenden Deutschen hin und wieder ihr Potenzial aufblitzen. Zu ihrem Pech sah Torfrau Petersen inzwischen aber davon ab, ihren Horizont durch das Ausprobieren neuer Abwehrtechniken zu erweitern. Sie vereitelte gegen Linda Dallmann zweimal ganz konventionell, aber eben auch gut das 2:1 (56., 61.).
Nielsen trifft zum dänischen Sensationssieg
Eine erneute Führung der DFB-Mannschaft wäre allerdings auch schmeichelhaft gewesen. Dänemark war frischer, willensstärker, in seiner Performance reifer - schlichtweg besser. Und die Nielsen-Equipe belohnte sich für ihre tolle Vorstellung im zweiten Durchgang: Die eingewechselte Frederikke Thögersen flankte unbedrängt auf Theresa Nielsen, die Schult per Kopfball überwand (83.). Damit war die Entscheidung in Rotterdam gefallen. Deutschland vermochte es in der Schlussphase nicht mehr, die Wende herbeizuführen und damit das vorzeitige EM-Aus abzuwenden. "Natürlich hinterfrage ich jetzt meine Entscheidungen. Wir werden die EM analysieren, dann werden wir sehen, ob es vom System her passte, ob wir anders entscheiden hätten müssen", sagte Jones: "Die Enttäuschung ist sehr groß. Man fragt sich, was schiefgelaufen ist und was wir nach den Gruppenspielen nicht verstanden haben."
Fußball UEFA-FRAUEN-EM 2017
Deutschland : Dänemark
30.07.17 12:00 Uhr, Viertelfinale
Fakten und Zahlen zum Spiel
Ergebnis
Tore
Strafen
Bes. Vorkommnisse
Ort
Stadion
Zuschauer
Schiedsrichter
Stand: 30.07.17 13:51 Uhr